Artikel in der Südostschweiz / Bündner Tagblatt vom 23.12.2023
Marianne Fischbacher, Lukas Bardill und Nikolaus Schmid prägen und beobachten das Bündner Kulturleben – Letzteres tun sie sehr genau.
Interview: Carsten Michels
Ihr Hintergrund deckt etliches ab: Marianne Fischbacher ist Ethnologin und Tourismusfachfrau; Lukas Bardill bildender Künstler und Bündner Grossrat; Nikolaus Schmid Schauspieler und Mitbetreiber der Churer Postremise mit regem Veranstaltungsprogramm. Was sie eint: Sie engagieren sich seit vielen Jahren kulturpolitisch. So sind Schmid und Bardill Co-Präsidenten des Vereins Kulturkanton Graubünden. Zuletzt nahmen die drei am «Kulturgipfel» teil, zu dem das kantonale Amt für Kultur lud. Aber auch andere Initiativen – wie etwa jene des Vereins Graubünden Cultura – hat das Trio im Blick. Im Interview diskutieren die drei über all das.
Lukas Bardill, Marianne Fischbacher, Nikolaus Schmid – wir wollten uns schon seit Längerem treffen, um über die kantonale Kulturförderungspraxis zu sprechen. Wie ist der Stand der Dinge?
Lukas Bardill: Unsere Idee war damals, zur Halbzeit des Kulturförderungskonzepts 2021–24 eine Bilanz zu ziehen, den Coronastaub abzuschütteln und die Kulturschaffenden daran zu erinnern, sich auch wieder kulturpolitisch zu engagieren.
Weil die Zeit mittlerweile drängt?
Lukas Bardill: Allmählich ja, denn das Amt für Kultur soll der Regierung bereits im kommenden Frühjahr den Entwurf zum Kulturkonzept 2025–28 vorlegen.
Darüber hat das Amt unlängst an einem «Kulturgipfel» in Chur informiert. Sie drei haben daran teilgenommen. Erklären Sie bitte kurz den Hintergrund.
Marianne Fischbacher: Das Amt für Kultur hat den Kontakt zu den Kulturschaffenden gesucht, um die Ausarbeitung des Kulturkonzepts möglichst partizipativ zu gestalten.
Das tönt ja löblich.
Lukas Bardill: War es im Grossen und Ganzen auch.
Marianne Fischbacher: Immerhin sind über 200 Kulturschaffende gekommen, und es gab reichlich Gelegenheit zum Austausch.
Lukas Bardill: Aus Sicht des Vereins Kulturkanton Graubünden geht es beim Konzept 2025–28 ans Eingemachte. Es ist wichtig, dass wir uns als Kulturschaffende einbringen und sagen können: «Wir haben da mitgedacht.» Nicht zuletzt, um auch politisch glaubwürdig zu sein. Diese Glaubwürdigkeit brauchen wir, weil das Kulturkonzept alle vier Jahre aufs Neue und die dafür nötigen finanziellen Mittel jährlich vom Grossen Rat bewilligt werden müssen. Für uns ist das aus kulturpolitischer Perspektive die Hauptbaustelle.
In der Herbstsession wird der Grosse Rat über das nächste Kulturkonzept beraten und entscheiden. Fürchten Sie einen Abbau der kantonalen Fördergelder?
Lukas Bardill: Die Gefahr besteht, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht machen. Deshalb wollen wir das Konzept auch optimieren und durchaus mutige Verbesserungsideen des Amts unterstützen. Dazu gehören, die finanziellen Mittel als Verpflichtungskredit für vier Jahre zu genehmigen und temporäre Leistungsvereinbarungen in reguläre umzuwandeln, die dann aus den ordentlichen Mitteln finanziert werden können.
Unabhängig vom «Kulturgipfel» hat kurz zuvor ein Forum des Vereins Graubünden Cultura stattgefunden. Ging es da auch um Kulturförderung?
Marianne Fischbacher: Nein, Graubünden Cultura ist ein Impulsprojekt zur Förderung des Kulturtourismus im Kanton. Da soll Netzwerksensibilisierung betrieben werden, und zwar auf grosser Flughöhe.
Nehmen Sie uns mit. Worum gehts da genau?
Marianne Fischbacher: Graubünden Cultura kommt von der Seite der Dachmarke Graubünden her und von Graubünden Ferien. Und deren Anliegen ist es, die Kultur einzubeziehen als Imagefaktor der Ferienregion.
Nach dem Motto «Kultur ist der Schnee von morgen»?
Marianne Fischbacher: Genau. Aber das ist ein anderes Anliegen als das der Kulturschaffenden selber, die ihr Ding produzieren möchten. Das ist nicht unbedingt immer kompatibel. Denn eigentlich müsste sich Graubünden Cultura um die Angebotsentwicklung in der Kultur speziell für die touristische Nutzung kümmern. Das heisst, dass man Kulturveranstaltungen auch auf ein anderes Zielpublikum ausrichtet. Dafür braucht es einerseits Mittel, andererseits müssten kantonale Wirtschafts- und Kulturförderung viel enger zusammenarbeiten.
War das nicht mal ein Regierungsauftrag?
Marianne Fischbacher: Ja, gewünscht war von Regierungsseite, die Schnittstellen zwischen dem Amt für Wirtschaft und Tourismus und dem Amt für Kultur zu erkennen und zu nutzen. Allerdings ist die Idee, etwas gemeinsam zu entwickeln, in den Ämtern noch nicht so ganz angekommen. Da ist die Distanz immer noch recht gross. Vielleicht gelingt es jetzt.
Sie selber haben mit dem Dachverband Museen Graubünden vor bald schon 20 Jahren vorgemacht, wie Kulturtourismus funktionieren kann. Wo liegt das Problem?
Marianne Fischbacher: Damals gab es Bundesmittel im Rahmen des Strukturförderungsprogramms Regio Plus. Tatsächlich war unser vierjähriges Pilotprojekt «Museenland Graubünden», bei dem wir aktiv den Dialog mit Tourismusexperten gesucht haben, erfolgreich. Wir sind von Museumsseite her gekommen, und Regio Plus hat viel bewirkt. Zuvor war Kultur als Geschäftsfeld in Tourismuskreisen nicht sehr bekannt gewesen.
«Kulturgipfel», Graubünden Cultura – für das Bündner Kulturschaffen läufts doch gerade, oder nicht?
Nikolaus Schmid: (lacht) Es ist natürlich stets ein langer Weg von der Planung oben, bis davon bei uns Kulturschaffenden wirklich etwas ankommt. An früheren Kulturtourismus-Workshops wurde über die «weisse Fläche» zwischen Kultur und Tourismus gesprochen. Und man spricht bis heute davon, noch nicht ganz zusammengefunden zu haben. Für uns wirds interessant, wenn etwas ganz konkret wird. Wenn es heisst: «Hey, wir haben einen Topf, wir möchten Touristen von da nach dort bringen, wir brauchen eine Vermittlung unterwegs, wir brauchen kulturelle Anlässe zu dieser Thematik.» Ab dem Moment können wir konkret anfangen zu arbeiten.
Stichwort Flughöhe: Empfinden Sie solche Initiativen vom Überbau als zu abgehoben?
Nikolaus Schmid: Natürlich beobachten wir das, was da oben schwebt, sehr aufmerksam. Weil alles immer so lange dauert, höre ich viele meiner Kolleginnen und Kollegen regelmässig klagen: «Jetzt reden sie wieder die ganze Zeit. Wann tut sich denn wirklich etwas?» Diese Problematik besteht tatsächlich, solange die Pläne unkonkret bleiben. Aber wir glauben daran, dass diese Flugzeuge mit ihren Botschaften auch irgendwann mal landen.
«Wirtschafts- und Kulturförderung müssten viel enger zusammenarbeiten.»
«Wir glauben daran, dass die Flugzeuge auch irgendwann mal landen.»
Fördern zwischen Beständigkeit und neuen Perspektiven
Kulturförderung Das Bündner Parlament hatte 2017 seine Zustimmung zum revidierten Kulturförderungsgesetz des Kantons an eine Bedingung geknüpft: die Erstellung eines Kulturförderungskonzepts (KFK). Für die Ausarbeitung durch Departement und Amt wurden auch Kulturschaffende eingeladen – unter anderem vertreten durch den Verein Kulturkanton Graubünden, zu dem sich Verbände, Institutionen und zahlreiche Akteure des Bündner Kulturlebens zusammengeschlossen hatten. Im Konzept 2021–24 (KFK 1) wurden Förderschwerpunkte formuliert, darunter kulturelle Teilhabe, Sprachenvielfalt und Stärkung der Produktionsbedingungen, insbesondere im Filmwesen. Im Vorfeld der Ausarbeitung des KFK 2 (2025–28) machte sich der Verein Kulturkanton ebenfalls für einen partizipativen Prozess stark. Dem kamen Departement und Amt mit der Einberufung des «Kulturgipfels» am 29. November in Chur nach. Das Amt für Kultur (AfK) hielt bei dieser Gelegenheit Rückschau und lud die Kulturschaffenden ein, ihre Anliegen für das KFK 2 in Fokusgruppen zu formulieren. Positiv anzumerken ist, dass im Rahmen der Schwerpunktförderung Produktionsbedingungen in diesem Jahr ein separates Filmförderungskonzept entstand. Offiziell kommuniziert wurde dies von Behördenseite jedoch nicht. Wie so einiges. So gab Departementschef Jon Domenic Parolini am «Kulturgipfel» en passant bekannt, dass An-drea Conrad künftig die AfK-Abteilung Kulturförderung leiten werde. (cmi)
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